Infusionstherapie

Infusionstherapie

Die Infusionstherapie (lat. infundere, infusus: hineingießen) oder auch Flüssigkeitstherapie bezeichnet die parenterale (griech. para: neben; enteron: Darm; "unter Umgehung des Verdauungstraktes") kontinuierliche Verabreichung von Flüssigkeiten zu medizinischen Zwecken. Eine Infusion von Blutkonserven wird als Transfusion bezeichnet. Die parenterale Ernährung (künstliche Ernährung durch spezielle Infusionslösungen) ist auch eine Form der Infusionstherapie, die jedoch ein eigenes weites Gebiet beschreibt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Medikamentöse Infusionstherapie: Verabreichung von Medikamenten, wenn der Patient dies selbst nicht kann oder eine genaue, direkte kontinuierliche Gabe der Medikamente erfolgen muss, damit sie ihre bestmögliche Wirkung entfalten.
  • Volumenersatztherapie: Diese Infusionstherapie ist notwendig, wenn ein absoluter Volumenmangel (Blutverlust aus dem Gefäßsystem, z. B. bei Verletzungen) oder ein relativer Volumenmangel (relativ geringeres Blutvolumen durch Gefäßerweiterung) vorliegt.
  • Flüssigkeitszufuhr: Therapie bei Dehydratation (Flüssigkeitsmangel), z. B. bei Erbrechen, Diarrhoe (Durchfall) oder verminderter Wasseraufnahme.
  • Elektrolyttherapie: Bei Störungen des Elektrolythaushalts, z. B. Hypokaliämie (Kaliummangel), kann dieser Zustand kann je nach Ausmaß lebensbedrohlich sein.
  • Makro- und Mikronährstofftherapie (Vitalstofftherapie): Prävention und Therapie mit Makro- und Mikronährstoffen (Nährstoffe, Vitalstoffe) – im Regelfall auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse bzw. einer Vitalstoff-Analyse

Das Verfahren

Die Infusionstherapie dient der Medikamentengabe, der Supplementierung mit Makro- und Mikronährstoffen (Nährstoffe, Vitalstoffe) und der Flüssigkeitssubstitution (Unterstützung des Flüssigkeitshaushaltes). Sie ist notwendig, wenn die orale (Flüssigkeitsaufnahme mit dem Mund) oder die enterale (Flüssigkeitsaufnahme über den Verdauungsapparat) Aufnahme von Flüssigkeiten soweit gestört bzw. nicht möglich ist, dass der Patient nicht mehr ausreichend versorgt ist bzw. die notwendige Dosierung nicht durch eine orale Aufnahme möglich ist.

Ziele der Infusionstherapie:

  • Medikamentengabe bzw. Gabe von Diagnostika (z. B. Kontrastmittel): Genau dosierte Verabreichung von Arzneimitteln direkt in den Blutkreislauf.
  • Volumenersatztherapie bzw. Flüssigkeitszufuhr: Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten (z. B. durch Diarrhoe (Durchfall), Erbrechen oder Blutverlust). Ziel ist die Erhaltung und die Normalisierung des Flüssigkeitsvolumens bzw. des Blutvolumens zur Stabilisierung des Kreislaufs.
  • Elektrolyttherapie: Korrektur und Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Elektrolytkonzentrationen und deren Zusammensetzung.
  • Makro- und Mikronährstofftherapie (Vitalstofftherapie): Prävention und Therapie mit Makro- und Mikronährstoffen (Nährstoffe, Vitalstoffe)

Eine Infusionstherapie kann kurzfristig oder langfristig erfolgen und über verschiedenen Wege appliziert (lat. applicare: anschließen) werden:

  • Intravenöse Infusion: Dies ist die häufigste Methode. Die Verabreichung der Infusion erfolgt über eine Vene, entweder peripher (an den Gliedmaßen, z. B. Handrücken, Unterarm, Ellenbeuge, Fußrücken), über eine venöse Verweilkanüle oder zentral über einen zentralen Venenkatheter in eine große herznahe Vene (in die obere oder untere große Hohlvene). Letzteres kann auch über einen Portkatheter erfolgen: Ein zentralvenöser Port ist ein subkutan (unter der Haut) liegendes, vollständig implantiertes Zugangssystem, das mit einer zentralen Vene (rechte V. jugularis oder V. subclavia) verbunden ist. Über eine Membran, die mehrmals durchstochen werden kann, können größere Mengen Flüssigkeit langfristig injiziert werden.
  • Intraarterielle Infusion: Hier handelt es sich um eine weniger häufige Methode. Die Infusion erfolgt über eine Arterie, dies hat zur Folge, dass sich die Flüssigkeit schnell über den Kreislauf verteilt. Ein Beispiel hierfür ist die Gabe von Kontrastmittel in die Koronargefäße (Arterien, die kranzförmig das Herz umgeben und den Herzmuskel mit Blut versorgen) im Rahmen einer Koronarangiographie (radiologisches Verfahren, das mit Hilfe von Kontrastmitteln das Lumen (Innenraum) der Koronararterien (Herzkranzgefäße) sichtbar macht).
  • Subkutane Infusion: In diesem Fall wird eine Infusion direkt unter die Haut gegeben. Da die Resorption (Aufnahme) der Flüssigkeit langsam erfolgt, handelt es sich um eine kreislaufschonende Methode. 
  • Intraossäre InfusionBei dieser Infusion wird Flüssigkeit in das Knochenmark (z. B. Unterschenkelknochen) injiziert. Diese Methode wird häufig bei Kindern während eines Notfalls angewendet, wenn kein intravenöser Zugang verfügbar ist.
  • Epidurale Infusion: Hier wird die Flüssigkeit in den Epiduralraum (Synonym: Periduralraum; Raum im Wirbelkanal, der zwischen der Knochenoberfläche und der Dura mater (harte Hirnhaut), das Rückenmark umgibt; dient meist der Verabreichung eines Lokalanästhetikums bzw. der Schmerztherapie, z. B. im Rahmen einer Epiduralanästhesie (Synonym: Periduralanästhesie; Form der zentralen Leitungsanästhesie, das bedeutet, dass große Nervenbahnen direkt an ihrer Wurzel innerhalb Wirbelsäule betäubt werden) injiziert.

Folgende Infusionsarten sind möglich:

  • Schwerkraftinfusion: Dies ist die häufigste Form der Infusion. Die Flüssigkeitsverabreichung erfolgt durch Schwerkraft über einen erhöht angebrachten Infusionsbehälter.
  • Pneumatische Druckinfusion: Bei dieser Infusion wird ein Kunststoffinfusionsbehälter komprimiert. Durch den erhöhten Druck können große Mengen Flüssigkeiten in kurzer Zeit verabreicht werden, z. B. in Notfallsituationen.
  • Infusionspumpe/ Spritzenpumpe: Über ein zeitlich eingestelltes apparatives System wird die zu injizierende Flüssigkeit mit genauester Dosierung verabreicht. Der Hauptanwendungsbereich liegt in der Gabe geringer Flüssigkeitsmengen in der Intensiv- und Notfallmedizin, in der postoperativen Schmerztherapie und der Anästhesie (Narkoselehre).

Die Zusammensetzung der Infusionslösung bestimmt das Ziel der Infusionstherapie:

  • Kristalloide Infusionslösungen: Voll-Elektrolytlösungen; diese Lösung wird bei Dehydratation (Flüssigkeitsmangel) durch Durchfall oder Erbrechen angewendet.
  • Zweidrittel-Elektrolytlösung: Die Infusion dieser Lösung dient der Deckung des Basisbedarfs an Flüssigkeit während oder kurz nach einer Operation.
  • Halb-Elektrolytlösung: bei Dehydratation 
  • Kolloidale Infusionslösung: enthält Hydroxyethylstärke ("HES", aus pflanzlicher Stärke) und dient dem Volumenersatz bei Blutverlust bzw. geringem Blutvolumen
    [Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) empfiehlt aufgrund aktueller Daten (wg. therapieresistenten Juckreiz; erhöhte Rate an Nierenersatzbehandlungen als unter Behandlung mit Ringeracetat), bei internistischen Intensivpatienten auf die Gabe von Hydroxyethylstärke (HES) im Rahmen der Flüssigkeitssubstitution zu verzichten [4]).
    Hinweis! HES 130 ist bei Intensiv- und Sepsispatienten mit einer erhöhten Mortalität, einem vermehrten Bedarf an Nierenersatzverfahren und einem gesteigerten Transfusionsbedarf assoziiert.

Weitere Hinweise

  • Eine restriktive intravenöse Volumenersatztherapie bzw. Flüssigkeitszufuhr, die eine postoperative Gewichtszunahme vermeiden soll, führt möglicherweise häufiger zu Nierenschäden (8,6 versus 5,0 %), chirurgischen Wundinfektionen (16,5 versus 13,6 %) und postoperativ häufiger zu einer Nierenersatztherapie (0,9 versus 0,3 %) [5]. Diese Ergebnis spricht für eine liberalere Volumentherapie. Leitlinien gerecht ist allerdings nur so viel Flüssigkeit zu infundieren, dass Patienten nach Möglichkeit nicht zunehmen.
  • Multielektrolytlösung (balancierte kristalloide Infusionslösung) versus physiologische Kochsalzlösung
    • In einer Studie mit mehr als 5.000 Patienten zeigte sich im Vergleich dass die 90 Tage-Mortalität (Sterberate) sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen unterschied: Sie lag bei 21,8 % unter der Multielektrolytlösung und 22 % unter der physiologischen Kochsalzlösung; Anteil der Dialysepatienten: 12,7 % versus 12,9 % (kein signifikanter Unterschied); der maximale Kreatinin-Anstieg war in beiden Gruppen identisch mit 0,41 mg/dl [6].
    • Metaanalyse: Die geschätzte Wirkung der Verwendung einer balancierten kristalloiden Infusionslösung versus einer physiologischen  Kochsalzlösung bei kritisch kranken Erwachsenen reicht von einer relativen Verringerung von 9 % bis zu einer relativen Erhöhung von 1 % des Mortalitätsrisikos (Sterberisikos), wobei eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die durchschnittliche Wirkung der Verwendung einer Multielektrolytlösung die Mortalität (Sterberate) senkt [7].

Ihr Nutzen

Die Infusionstherapie ist aus dem klinischen Alltag heute nicht mehr weg zu denken. Sowohl in der Notfallmedizin, als auch in der Arztpraxis, wird sie angewendet. 
Sie hilft den Patienten gesund zu werden bzw. zu bleiben.

Literatur

  1. Hartig W et al.: Ernährung- und Infusionstherapie: Standards für Klinik, Intensivstation und Ambulanz. Georg Thieme Verlag Stuttgart 2004
  2. Stein J, Jauch KW: Praxishandbuch klinische Ernährung und Infusionstherapie. Springer Verlag 2003
  3. Boos K: I.V.: Infusion, Transfusion, Parenterale Ernährung. Elsevier, Urban & Fischer Verlag München 2004
  4. Perner A et al.: Hydroxyethyl Starch 130/0.42 versus Ringer's Acetate in Severe Sepsis. NEJM 2012; 367: 124-34
  5. Myles PS et al.: Restrictive versus Liberal Fluid Therapy for Major Abdominal Surgery N Engl J Med May 10, 2018 doi: 10.1056/NEJMoa1801601
  6. Finfer S et al.: Balanced Multielectrolyte Solution versus Saline in Critically Ill Adults. N Engl J Med 2022; https://doi.org/10.1056/NEJMoa2114464
  7. Hammond NE et al.: Balanced Crystalloids versus Saline in Critically Ill Adults — A Systematic Review with Meta-Analysis NEJM Evid 2022; 1 (2) doi:https://doi.org/10.1056/EVIDoa2100010

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen. (AWMF-Registernummer: 001 - 020), Juli 2020 Langfassung